ZWISCHEN KOLONIALEM CHARME UND FUTURISTISCHER MODERNE
29. Oktober 2025 · 9 Min. Lesezeit
Meine Weiterreise von Indonesien führt mich nach Singapur – eine Stadt, die ich zuletzt 1989 besucht habe, auf meiner allerersten selbst finanzierten Reise von Australien zurück in die Schweiz. Klar, dass ich einen mehrtägigen Zwischenstopp einlege. Damals blieb mir vor allem Chinatown in Erinnerung – und das Gefühl, im feucht-heissen Klima regelrecht zu schmelzen. Diesmal, nach sieben Wochen in Indonesien, bin ich bestens akklimatisiert und freue mich, die Metropole mit neuen Augen zu sehen.
Zurück in Chinatown
Ich wohne im Mercure ICON City Centre (siehe Notizen), mitten im Herzen von Chinatown. Das Zimmer ist winzig, aber charmant – und mit dem bodentiefen Fenster, vor dem ich jeden Morgen meine Yogamatte ausrolle, fühle ich mich sofort zuhause. Während ich auf die Dächer der historischen Shophouses blicke, tauche ich in meine innere Welt ein. Ich bin angekommen.
Schon am ersten Morgen erkunde ich die engen Gassen des Viertels. Vieles hat sich verändert. Die farbenfrohen Häuser stehen noch, doch wo früher Familien lebten und auf der Strasse ihre Läden betrieben, verkaufen heute Souvenirshops billige Touristenware. Die Zeit bleibt auch in historischen Quartieren nicht stehen.
Mein erstes Ziel ist der Buddha Tooth Relic Tempel, der 2007 eröffnet wurde – und den ich sogar von meinem Hotelzimmer aus sehen kann. Kaum betrete ich den Tempel, fühle ich mich wie in eine andere Welt versetzt. Zwischen goldglänzenden Statuen und kunstvollen Räucherschalen vergesse ich die Zeit. Erinnerungen an meine Reise ins Tibet vor 20 Jahren werden wach – dieselbe Stille, dieselbe Kraft.Ich nehme mir zwei Stunden Zeit in den fünf-stöckigen Tempel und mit all den buddhistischen Artefakten anzuschauen
Danach führt mich mein Weg durch die bunten Strassen von Chinatown. Ich bewundere Streetart, besuche den Sri Mariamman Tempel und den Thian Hock Keng Tempel, einen der ältesten und wichtigsten der Stadt. Immer wieder wird mir bewusst, wie harmonisch in Singapur Kulturen, Religionen und Lebensphilosophien miteinander existieren. Ein lebendiges Beispiel, dass Vielfalt Frieden schaffen kann.
Nach so viel Eindrücken meldet sich der Hunger. Ich steuere eines der typischen Hawker-Zentren an – Singapurs legendäre Food Courts, in denen es an jeder Ecke duftet und brutzelt. Ich rechne mit Menschenmassen und langen Schlangen, finde aber das Gegenteil vor: geschlossene Stände, leere Tische. Es ist Samstag, und die Geschäftsleute bleiben aus.
Ein freundlicher Mann empfiehlt mir ein Nudelgericht mit Rindfleisch – einfach, aber köstlich. Satt und zufrieden schlendere ich weiter, bis mich die Müdigkeit einholt. Nach einem langen Spaziergang durch die Stadt gönne ich mir im Hotel eine Siesta, die länger dauert als geplant. Der Abend endet entspannt: Snacks aus dem Convenience Store, Netflix, und ein Blick auf das nächtliche Chinatown – funkelnd, ruhig, magisch.
Emerald Hill: Kolonialarchitektur und ein wahres Peranakan-Juwel
Im Herzen des geschäftigen Singapurs liegt eine Strasse, die sich wie eine Zeitkapsel anfühlt: die Emerald Hill Road. Nur wenige Schritte von der Shoppingmeile Orchard Road entfernt strahlen die historischen Ladenhäuser hier eine unvergleichliche Ruhe und Eleganz aus.
Die Häuser sind eine Augenweide – pastellfarbene Fassaden, aufwendig verzierte Fensterläden und filigrane Balkone erzählen Geschichten aus der Kolonialzeit. Besonders faszinierend sind die Einflüsse der Peranakan: Lebhafte Fliesen, detailreiche Schnitzereien und farbenfrohe Verzierungen verleihen den Häusern einen einzigartigen Charme.
Heute haben die Shophouses eine neue Rolle übernommen: Viele sind zu begehrten Luxusimmobilien geworden, während andere stilvolle Bars und kleine Cafés beherbergen, die historischen Charme mit modernem Lebensstil verbinden. Ein Spaziergang entlang der Emerald Hill Road fühlt sich wie eine kurze Reise in die Vergangenheit an. Ich würde gerne für einen Moment zurückkehren und erleben, wie das Leben damals gewesen sein muss.
Alt trifft Neu – Singapur vom Wasser aus
Heute will ich Singapur vom Wasser aus erleben. Ich nehme die MRT (Mass Rapid Train) Richtung Clarke Quay, doch schon das Lösen eines Tickets entpuppt sich als kleine Herausforderung. Keine Maschine sieht so aus, wie ich es gewohnt bin. Also frage ich eine Frau um Hilfe. Sie erklärt mir nicht nur geduldig den Weg, sondern begleitet mich kurzerhand bis zum Haupteingang. Auf meinen Reisen begegne ich immer wieder Menschen, die hilfsbereit, neugierig und herzlich sind – diese Begegnung ist ein weiteres Beispiel dafür. Wir kommen ins Gespräch, sie erzählt von ihrer Reise in die Schweiz, an die sie nur gute Erinnerungen hat. Solche kurzen Begegnungen machen für mich das Reisen so besonders – sie zeigen, wie leicht sich Menschen verbinden können, wenn Offenheit im Spiel ist.
Ein Mitarbeiter der MRT erklärt mir, dass ich gar kein Ticket brauche – ich könne einfach meine Kreditkarte an der Schranke scannen. So unkompliziert! Ich steige in den Zug Richtung Clarke Quay, neugierig darauf, die Stadt aus einer neuen Perspektive zu erleben.
Clarke Quay war einst das geschäftige Herz des kolonialen Singapur – hier wurden Waren aus aller Welt entladen, bevor sie weiter verschifft oder in den alten Lagerhäusern gelagert wurden. Heute ist das Viertel denkmalgeschützt, und die restaurierten Lagerhäuser beherbergen hippe Restaurants, Bars und Boutiquen.
Singapur ist ein Ort, an dem Alt auf Neu trifft, Geschichte auf Zukunft, Spiritualität auf Effizienz. Diese Mischung, gepaart mit der kulturellen Vielfalt, macht die Stadt so faszinierend. Hier leben Menschen aus aller Welt – Chinesen, Malaien, Inder, Araber, Expats – und schaffen gemeinsam eine pulsierende, weltoffene Atmosphäre.
Nachdem ich das Viertel zu Fuss erkundet habe, gönne ich mir eine einstündige Bootstour auf dem Singapur-Fluss. Vom Wasser aus zeigt sich die Stadt in voller Pracht: historische Gebäude, moderne Glasfassaden, das majestätische Marina Bay Sands Hotel mit seiner schwebenden Dachterrasse – Sinnbild für Singapurs futuristischen Geist.
Ich könnte hinauffahren, aber mein Geldbeutel braucht eine kleine Pause, und Shorts und Wandershirt sind nicht unbedingt die passende Abendgarderobe für die Luxuslounge. Ich schmunzle. Es ist immer gut, sich etwas für den nächsten Besuch aufzuheben.
Gardens by the Bay: Natur trifft Zukunft
Nach einem entspannten Nachmittag am Hotelpool mache ich mich kurz vor Dämmerung auf den Weg zu den Gardens by the Bay. Die riesige Parkanlage beeindruckt mich sofort: futuristische Strukturen verschmelzen hier mit üppigem Grün, und das Marina Bay Sands Hotel wirkt noch monumentaler aus der Nähe. Aus allen Perspektiven halte ich unzählige Fotos fest, besonders von der Dachterrasse, die sich elegant über drei Türme spannt.
Kurz vor Sonnenuntergang steige ich auf den OCBC Skyway – ein 50 Meter hoher Steg, der zwischen zwölf der berühmten achtzehn „Supertrees“ verläuft. Während die abendliche Lichtshow beginnt, wechseln die riesigen Baumskulpturen im Rhythmus der Musik ihre Farben. Ein faszinierendes Spektakel, das man nicht vergisst.
Die Supertrees sind jedoch mehr als nur ein optisches Highlight: Sie sind vertikale Gärten, in denen exotische Pflanzen wie Bromelien, Farne, Orchideen und tropische Kletterpflanzen wachsen. Dieses Zusammenspiel aus Technik, Kunst und Natur macht die Gardens einzigartig.
Am Morgen meines Abreisetages zieht es mich nochmals in den Park, diesmal in den Cloud Forest, einen künstlichen Nebelwald. Auf freistehenden Stegen wandere ich durch immergrüne Landschaften und bestaune exotische Pflanzen aus tropischen und subtropischen Regionen – ein sinnliches Erlebnis, das mich staunend zurücklässt.
Little India, Kampong Glam und ein Hauch von Gotham
An meinem letzten Tag reise ich durch Kulturen, ohne Singapur zu verlassen.
In Little India empfängt mich ein Feuerwerk aus Farben, Düften und Klängen: goldene Juweliere, bunte Saris, Blumengirlanden, würzigeCurrydüfte. Ich tauche kurz ein – und verliere mich im bunten Chaos.
Wenige Schritte weiter, im malaiisch-muslimischen Viertel Kampong Glam, besuche ich die Masjid Sultan Moschee – eindrucksvoll, aber weniger prunkvoll als jene in Istanbul oder Kairo. Dafür spüre ich auch hier dieselbe friedliche Energie.
Nur einen Steinwurf von Kampong Glam liegt das bekannte Bürogebäude Parkview Square. Das ikonische Bauwerk ist für seine charakteristische Neo-Art-déco-Architektur bekannt, welches ihm den Spitznamen „Gotham Building” eingebracht hat. Als Architekturliebhaberin und grosser Art-Deco Fan will ich vor allem die renommierte ATLAS-Bar besichtigen (siehe Notizen). Alleine schon der 15 Meter hohe Gin Turm mit über 1300 Flaschen Gin ist eine Augenweide für sich. Ich schiesse Fotos aus allen erdenklichen Winkeln und nach einigem Zögern entscheide ich mich dann doch in die Bar hineinzugehen und mir einen Gin zu gönnen. Teuer? Ja. Aber absolut wert. 🥂
Wiederentdeckung nach 36 Jahren
Singapur ist ein faszinierender Mikrokosmos – ein Ort, an dem Kulturen verschmelzen, Geschichte auf Zukunft trifft und Spiritualität neben Wolkenkratzern lebt. Nach 36 Jahren habe ich die Stadt völlig neu erlebt. Sie ist lauter, bunter, moderner – aber ihre Seele hat sie nicht verloren.
Notizen:
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