ATEMBERAUBENDE LANDSCHAFTEN, ECHTE MENSCHEN UND VIELE TRÄNENMOMENTE
28. November 2025 · 14 Min. Lesezeit
Während ich auf meinen verspäteten Flug wartete — drei Stunden Verspätung, erfahren in dem Moment, als ich morgens um 7:30 Uhr am Flughafen Toronto ankomme — nutzte ich die ungeplante Pause, um mein Kanada Reise Update zu starten. Diese ganze Reise zeigt mir immer wieder, wie wichtig es ist, mit dem zu fliessen, was das Leben einem vor die Füsse wirft. Ich würde gern behaupten, dass mich spontane Änderungen immer entspannt und zen lassen… aber nein. Ich bin auch nur ein Mensch. Manchmal nerven mich solche Verzögerungen und Umwege immer noch. Und doch lerne ich immer mehr, mich hineinzulehnen und das zu akzeptieren, was ich nicht ändern kann.
Der Rückblick auf die letzten fünf Wochen in meinem Geburtsland erfüllt mich mit Freude und tiefer Dankbarkeit. Auch wenn ich in der Schweiz aufgewachsen bin, hat Kanada einen riesigen Teil von dem geprägt, was mich ausmacht. Meine Eltern nahmen mich auf unzählige Reisen durch dieses riesige Land mit — endlose Himmel, raue Landschaften, echte Menschen und unberührte Natur. Selbst für eine Schweizerin ist das viel.
Winnipeg: Fühlt sich an wie nach Hause kommen
Ein herzliches „Welcome to Canada!“ von der Grenzbeamtin lässt mich sofort zu Hause fühlen. Keine 30 Minuten nach der Landung aus Chicago stehe ich bereits draussen — der Vorteil kleiner Flughäfen! Selbst Jenna, meine Soul Sister und Winnipeg-Local, ist verblüft. Ihr strahlendes Gesicht, ihre feste Umarmung und ihr unverkennbares Lachen lassen mein Herz höher schlagen. Die Goodie-Bag von Black Market Provisions? Das Sahnehäubchen.
Auch wenn Winnipeg mich mit Sonnenschein begrüsst, ist es Zeit für lange Hosen und Wintermantel — was ich eindeutig Regen und lauwarmem Wetter vorziehe.
Jenna hat mir ein gemütliches Airbnb im Exchange District empfohlen, nur fünf Minuten von ihr entfernt. Alte Backsteingebäude, meine eigene kleine Wohnung, perfekte Ruhe zum Arbeiten, Recherchieren für kommende Reiseziele und für die ersten Schritte an einem grösseren Projekt für 2026. Mehr dazu später 🤩.
Ich spaziere entlang des Red River, schlendere zum The Forks Market für heisse Schokolade, Zimtschnecken, Scones und gemütliche Leseecken.
Und weil ich Inuit-Kunst liebe, besuche ich erneut die Winnipeg Art Gallery — das letzte Mal war ich hier Ende der 80er auf einem Roadtrip mit meiner Mutter von Toronto nach Vancouver — sowie Qaumajuq. Die Ausstellung von Abraham Anghik Ruben ist atemberaubend — kunstvolle Skulpturen, die direkt in die Seele der Inuit reichen. Ich verbringe fast zwei Stunden im Museum und wünsche mir, eine Skulptur mitzunehmen.
Dann ist Spa-Zeit mit Jenna in der Thermea Spa angesagt: Saunen, Aufgüsse, Eisbäder, lange Gespräche, herzhaftes Lachen und Essen, das jede Sorge vergessen lässt. Perfektion. Winnipegs Restaurantszene ist grandios. Jenna schickt mir so viele Empfehlungen, dass mir der Kopf schwirrt. Einen Abend gönne ich mir Peasant Cookery, und an meinem letzten Abend lade ich Jenna und ihren Mann ins Tabula Rasa ein — ein köstliches Dankeschön für eine tolle Zeit.
Quebec: Indian-Summer-Roadtrip & Europäischer Charme
Obwohl ich Kanada mein ganzes Leben lang bereise, war ich noch nie in Quebec City. Doch vorerst miete ich ein Auto und fahre entlang des St.-Lorenz-Stroms bis in die Region des Saguenay-Fjords.
Es ist Spätherbst, aber ich erwische noch das letzte Aufleuchten des Indian Summers — ein goldenes Finale 🍁. Birken haben ihre Blätter schon abgeworfen, ihre weisse Rinde kündigt den nahenden Winter an.
Roadtripping bedeutet Freiheit in ihrer reinsten Form. Während ich entlang des grossen Wasserwegs fahre, kehren Erinnerungen in Wellen zurück. Tränen auch — Gedanken an meine verstorbenen Eltern und all unsere gemeinsamen Abenteuer in diesem Land, das sie so sehr liebten.
Meine Route:
- Auberge Baker kurz ausserhalb von Quebec City
- Graue Himmel begleiten mich nach Tadoussac und zur gemütlichen Auberge Maison Gagné
- Ein glühender Sonnenuntergang auf der Fähre über den Saguenay River
Am nächsten Morgen fahre ich weiter entlang des Saguenay-Fjords. Der Winter rückt näher, viele Panoramastrassen sind bereits geschlossen, aber mein innerer Entdecker findet trotzdem versteckte Orte, die sich lohnen. Die Landschaft wirkt wild und still majestätisch — sie zieht einen tief hinein, selbst wenn die Kälte beisst.
Eine Stunde weiter östlich von Saguenay liegt Val Jalbert, eine historische Mühlenstadt, die ich seit der Schweizer TV-Sendung „La Chasse aux Trésors“ in den 80ern besuchen will. Meine Eltern und ich träumten immer davon, hierher zu kommen. 44 Jahre später stehe ich endlich an dem Ort, den ich damals im Fernsehen sah — und spule das alte Video zurück, um das Haus mit dem versteckten Schatz wiederzufinden. Es ist emotional. Ich schaue hinauf und fühle meine Eltern neben mir.
Letzter Stopp: Quebec City. Mein Hotel liegt direkt neben dem ikonischen Château Frontenac — zum Glück ohne Château-Preis.
Beim Spaziergang durch die Stadt entdecke ich den Palais Montcalm und kaufe spontan ein Ticket für „Julien Dassin chante Joe Dassin“. Mein Vater liebte französische Musik, und das Konzert trifft mich mitten ins Herz. Das Publikum singt begeistert mit, und wann immer ich die Texte kenne, mache ich voller Freude mit. Ich bin sicher, mein Vater singt irgendwo mit.
Wenn ich eine Stadt besuche, schaue ich mir normalerweise ein Kunstmuseum an. Meine Internetrecherche ergibt, dass im Musée des Beaux-Arts gerade eine Sonderausstellung über Niki de Saint-Phalle läuft. Mein Papa liebte Ihr Werk sehr, vor allem die Nanas (eine steht sogar noch bei mir Daheim). Ich bin begeistert von der farbenfrohen, aber auch der Ernsthaftigkeit Nki de Saint-Phalle’s Kunst.
Den letzten Tag verbringe ich im Strom Spa, schwebend im Infinity-Pool über dem St.-Lorenz-Strom, zwischen Saunen und dem langsam zur Ruhe kommenden Stadtleben. Ich verspreche mir leise, im Winter zurückzukehren.
Montreal: Wege der Erinnerung & kanadischer Cottage-Zauber
Von Quebec City fahre ich mit dem Zug nach Montreal — Kanadas zweitgrösste Stadt und nach Paris die zweitgrösste französischsprachige Stadt der Welt. Wusste ich nicht.
Christine, eine frühere Kollegin aus meinen Swatch-Group-Jahren in Toronto Mitte der 90er, holt mich am Bahnhof ab. Wir haben uns mehr als 27 Jahre nicht gesehen. Kennengelernt haben wir uns in diesen verrückten, aufregenden Wochen während des ATP-Tennis-World-Tour-Stops in Montreal — sie bei Tennis Canada, ich als Vertreterin von Rado, dem offiziellen Zeitnehmer. So viele unvergesslicheErinnerungen.
Eine ÖV-Streik beginnt genau bei meiner Ankunft, daher wird der Weg in die Stadt… mühsam. Ich schaffe es schliesslich, nutze den sonnigen Herbsttag zum Spazieren und wandere auf den Mount Royal. Irgendwie finde ich dank visueller Erinnerung sogar das Gebäude wieder, in dem ich 1983 bei einem Besuch Schweizer Freunden besuchte. Verrückt.
Am Wochenende fahren Christine und ich in die Cottage ihrer Schwester. Reine kanadische Magie — der See, die Stille, das Kaminfeuer. Ich lese, schlafe, atme. Am nächsten Morgen legt sich eine dünne Schneeschicht über alles und verwandelt die Welt in ein Märchen. Der perfekte Abschluss.
Ottawa: Die Hauptstadt
Ottawa empfängt mich mit weissen Straßen und eisigem Wind — und ich liebe es. Meine Hotelbuchung ist allerdings ein Reinfall: Ein Schild an der Tür erklärt, dass Drittanbieter-Buchungen nicht mehr akzeptiert werden 🤯. Ich zucke mit den Schultern, buche spontan etwas neues Hotel. Akzeptieren, was ich nicht ändern kann.
Die politischen Veränderungen in Kanada zeigen sich auch ganz real: Parliament Hill wird renoviert. Der berühmte Blick darauf ist derzeit hinter Gerüsten versteckt — den sieht man momentan nur auf Postkarten.
Am 11. November stolpere ich zufällig in die Remembrance-Day-Parade. Den Kanadier:innen dabei zuzusehen, wie sie den Gefallenen gedenken, berührt mich stärker als erwartet — besonders in einer Welt, die wieder von Konflikten erschüttert wird. Tränen fluten meine Augen.
Am nächsten Tag erkunde ich die Firestone Collection of Canadian Art in der Ottawa Art Gallery und nehme dank eines netten Paares, das ich am Vortag kennengelernt habe, an einer kostenlosen Parlamentsführung durch das Unterhaus teil. Die Kanadier und ihre Freundlichkeit … unübertroffen.
Noch eine mentale Notiz: Ich komme zurück nach Ottawa – um im Winter auf dem Rideau Canal Schlittschuh zu laufen.
Toronto: Zurück zu meinen Wurzeln
Mein letzter Stopp: Toronto, wo ich geboren wurde, mit 15 Englisch lernte und in den 90ern zweieinhalb Jahre arbeitete.
Meine Ankunft beginnt chaotisch — ich habe die falsche Zugzeit notiert und verpasse meinen Zug. FÜNFZEHN Minuten vor Abfahrt merke ich den Fehler. Keine Chance, den Zug rechtzeitig zu erreichen. Ein Beweis dafür, dass selbst Vielreisende Daten und Zeiten durcheinanderbringen 🥹.
Doch das Universum hat wie immer seine Wege. Ich nehme einen späteren Zug und treffe eine Mitreisende, die früher in der Schweiz lebte — in einem Dorf 15 Minuten von meinem entfernt. Was für ein Zufall! Am nächsten Abend kommt sie sogar mit mir ins Ballett „The Winter’s Tale“ beim National Ballet of Canada. Wunderschöne Serendipität.
Die ersten Tage miete ich ein Airbnb in Downtown — mit direktem Blick auf das Apartmentgebäude, in dem ich früher lebte. Kein hektisches Sightseeing, nur Flow. Ich kehre ins Queen Mother Café zurück — eine Toronto-Institution seit 1978! — für mein Ritualgericht Khao Soy Gai (ein Gericht, das Hauptgang und Dessert zugleich ist), besuche mein altes Büro, schlendere durch Graffiti Alley, erkunde den Distillery District, geniesse Moxies’ legendäres Whipped Feta und gehe zu einem Konzert des Toronto Symphony Orchestra.
Dann wohne ich bei Freunden, Christl und Ronnie — 26 und 27 Jahre seit unserem letzten Treffen. Es fühlt sich unglaublich wohltuend an, für ein paar Tage in einem echten Zuhause zu leben. In der Ruhe plane ich meine Südamerika-Reise — Reiseplanung macht mich immer ein bisschen verrückt, deshalb gehe ich es in kleinen Schritten an.
Weitere Wiedersehen folgen:
- Indisches Dinner im Leela mit Angela
- Italienisch im Nodo mit Lorraine
Wir reden, als wären die 90er gestern gewesen.
Heimkommen zu mir selbst
Kanada füllt meine Seele jedes Mal. Die Menschen, die vertrauten Orte, die neuen Erlebnisse — all das erinnert mich daran, wie glücklich ich bin, Kanadierin zu sein, auch wenn die Schweiz die meiste Zeit mein Zuhause war.
Meine Eltern waren die ganzen fünf Wochen über bei mir. Manche finden es komisch, dass ich 14 und 15 Jahre nach ihrem Tod immer noch so stark ihre Präsenz spüre und oft über sie spreche. Mir egal. Unsere Verbindung war aussergewöhnlich — und ich werde sie für immer in Ehren halten.
Notizen:
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